Perspektiven für Perspektivlose
Projekte der Hans-Wendt-Stiftung für benachteiligte Jugendliche
Stefan* hackt Holz. Nicht immer gelingt es dem Siebzehnjährigen, die Scheite sauber zu durchtrennen, die körperliche Arbeit ist ungewohnt. Ein paar Schritte weiter mischen Michael und Murat Pferdemist und Blätter, um neuen Kompost anzusetzen. Die Jugendlichen der allgemeinen Berufsschule Huckelriede absolvieren auf dem Gelände der Hans-Wendt-Stiftung die praktischen Anteile ihrer Schulbildung in Garten- und Landschaftsbau. Doch hier geht es nicht nur um Wissensvermittlung und um praktische Anwendung des Gelernten, sondern es geht vor allem um die Einübung der sogenannten „Sekundärtugenden“: Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, soziales Verhalten. Alle Jugendlichen, die hier arbeiten, haben eine lückenhafte Schulbildung, keine Chance auf einen Ausbildungsplatz oder einen Job und auch nur geringe Fähigkeiten, im Leben zurechtzukommen.
Der Ton zwischen den jungen Männern ist rau, immer wieder gibt es Streit. Stefan ist zu blöd zum Holzhacken, mault Andreas. Stefan gibt lautstark Contra. Tim stinkt die Arbeit, voller Wut tritt er gegen den Pferdemist. Michael Kuse, Pädagoge und Initiator des Projektes redet mit den Jugendlichen, schlichtet und schafft es meistens, sie zur Arbeit zu motivieren. Er sieht die kleinen Fortschritte, die die Jugendlichen in den vier Monaten seit Schuljahrsbeginn schon gemacht haben: auch eine ungeliebte Arbeit tun, sich statt mit Fäusten mit Worten auseinanderzusetzen, eine Arbeit zu Ende zu führen. Ganz wichtig ist Hund Kuddel. Die Jugendlichen spielen und reden mit ihm, seine Anwesenheit entschärft manchen Konflikt. „Tiergestützte Pädagogik“ so heißt der Fachbegriff.
Seit zwei Jahren führt die Hans-Wendt-Stiftung dieses Projekt mit dem Namen „Haus und Hof“ durch. Angesprochen sind nicht nur die Schüler der allgemeinen Berufsschule, sondern auch junge Menschen, die straffällig geworden sind oder die in einem der Wohnprojekte der Stiftung leben. „Wir wollen für die jungen Menschen Perspektiven schaffen“, beschreibt Michael Kuse das Ziel des Projektes. Deshalb wird mit den Jugendlichen ganz konkret überlegt, was sich an das Jahr anschließt: Eine Rehamaßnahme, eine Arbeit in einer Werkstatt für Behinderte, eine Helferausbildung oder vielleicht eine Beschäftigung in einem Handwerksbetrieb vor Ort.
Auch mit dem neuen Modellprojekt „Hal Över“ will sich die Hans-Wendt-Stiftung um diese Zielgruppe der besonders benachteiligten jungen Menschen kümmern. In einem Gebäude auf dem Stiftungsgelände, wo vorher den Kindergarten Murmel untergebracht war, sollen Unterrichts- und Seminarräume für Praxisklassen der allgemeinen Berufsschule entstehen. Zwei Wohnungen sollen gebaut werden, in denen das selbständige Wohnen geübt werden kann. Und es soll ein Café eingerichtet werden, damit die Jugendlichen Praxiserfahrungen im Bereich Hauswirtschaft und Gastronomie sammeln können. „Wir wollen mit einem speziellen Diagnostikverfahren und mit individuellen Förderplänen die Jugendlichen fit für das Leben machen“; sagt Projektkoordinator Juri Szabo. Zwei bis drei Jahre sollen die 20 bis 30 jungen Männer und Frauen bei der Hans-Wendt-Stiftung bleiben. Für den Umbau des Hauses hat die Stiftung Deutsches Hilfswerk bereits einen Zuschuss von über 100.000 Euro bewilligt, weitere Projektanträge laufen noch. Für die Finanzierung der laufenden Kosten steht Juri Szabo noch in Verhandlungen mit der BAgIS und der Sozialbehörde. Im Frühjahr 2007 ist Baubeginn, im Herbst das Projekt starten.