„Nur für Jungs“
Jungenbüro berät in neuen Räumen
Die Frage hat Volker Mörchen, Mitarbeiter des Bremer Jungenbüros, schon oft gehört: Warum sind spezielle Angebote für Jungen überhaupt notwendig? Jungen setzen sich doch sowieso durch! „Es gibt viele Jungen, die diesem Bild nicht entsprechen, die sich nicht durchsetzen, die im Gegenteil Opfer von körperlicher oder sexueller Gewalt sind“, sagt Volker Mörchen. Mit individueller Beratung und mit Seminaren wollen die Mitarbeiter des Jungenbüros Jungen und junge Männer unterstützen, ihre eigene Identität jenseits von rigiden Männer-Rollenbildern zu finden.
Seit Mai haben Volker Mörchen und seine Kollegen Erkan Altun und Rolf Tiemann neue Räume am Schüsselkorb bezogen und bieten dort individuelle Beratung für Jungen ab acht, für männliche Jugendliche und für junge Männer an, die Gewalt erleben oder erlebt haben. Anders als Mädchen reagieren Jungen auf erlebte Gewalt häufig mit Scham und Rückzug. Sie erleiden nicht nur den körperlichen Schmerz oder den Missbrauch. Für sie ist es zusätzlich schmerzlich, dass sie sich nicht wehren konnten, dass sie nicht dem Rollenbild eines ´richtigen` Jungen entsprachen. Die Beratung soll die Jungen unterstützen, diesen Druck abzubauen und selbst nach Lösungen zu suchen, wie sie sich emotional entlasten können. Die Beratungen sind vertraulich und auf Wunsch anonym, bei Bedarf werden weiterführende Hilfen vermittelt. Beraten werden auch Angehörige und pädagogische Fachkräfte.
Bereits seit 1999 bietet der Verein Selbstbehauptungskurse für Jungen und männliche Jugendliche in verschiedenen Altersgruppen an. Mit einer Mischung aus Wahrnehmungsübungen, Kampfspielen und Gesprächsrunden werden die Jungen für mögliche Gefährdungssituationen sensibilisiert. „Die Jungen können lernen, eigene Gefühle zuzulassen und sich zu wehren, ohne zuzuschlagen“, sagt Volker Mörchen. Die Mitarbeiter gehen auch an Schulen, um mit älteren Schülern Projekte zur Berufs- und Lebensplanung durchzuführen. „Viele Jungen sehen sich immer noch in der Rolle als Alleinernährer der Familie. Bei den heutigen unsicheren Ausbildungs- und Berufsperspektiven führt dies immer zu Rollenkonflikten“, so Erkan Altun. Ein weiteres Standbein der Arbeit sind die Fortbildungen für Multiplikatoren etwa zu Themen wie Ehre und Scham im türkisch-arabischen Kulturkreis. Oder ein Präventionsprojekt gegen sexuelle Gewalt, dass das Jungenbüro derzeit gemeinsam mit der Beratungsstelle Schattenriss in Bremer Kindertagesheimen durchführt. Sowohl die Erzieherinnen und Erzieher in den Einrichtungen als auch die Eltern werden geschult, welche Anzeichen auf sexuellen Missbrauch bei kleinen Kindern hindeuten, welche Hilfen es gibt und welche Möglichkeiten, selbst zu intervenieren.
Ganz wichtig ist es den Mitarbeitern, den Jungen „Herz“ zu zeigen. Volker Mörchen ist überzeugt: „Jungen brauchen Rollenvorbilder. Männer, die über Gefühle reden statt über Autos und Computer.“
Bremer Jungenbüro
Schüsselkorb 17/18
28195 Bremen